Aus ND vom 17. Januar 2007
Sozialreport 2006 sieht Stimmung im Osten auf dem
Tiefpunkt
Von Michaela von der Heydt
Die Stimmung kippt in Ostdeutschland, bilanziert der 17. Sozialreport, der im Auftrag der Volkssolidarität die Stimmungslage in den neuen Bundes-Ländern untersucht.
Besonders die
älteren
Ostdeutschen
sind offenbar sauer über die sozialpolitische Entwicklung in der
Bundesrepublik.
Bewerteten in der Gruppe der über 50-Jährigen 2005 noch 65 Prozent
ihre Lebenssituation als überwiegend positiv, sagten dies laut
dem neuesten Sozialreport 2006 nur noch 49 Prozent.
Hoffnungen setzt diese Altersgruppe nur noch auf die privaten Bereiche Partnerschaft, Wohnen und Freizeit. Die Unzufriedenheit erstreckt sich vor allem auf Bereiche, die der Einzelne nicht beeinflussen kann, berichtete gestern Professor Gunnar Winkler, Präsident der Volkssolidarität (VS), wie bei den Themen: soziale Gerechtigkeit, persönlicher politischer Einfluss und die wirtschaftliche Lage. Dies, so Winkler, »reflektiert reale Wohlstandsverluste«. Als einen Grund hierfür sieht die VS den nach wie vor unterschiedlichen Eckrentenwert, der im Osten noch 12,1 Prozent unter dem westlichen liegt. »Das ist eine echte Gerechtigkeitslücke«, mahnte Bundesgeschäftsführer Bernd Niederland. Dass auch die Bereiche soziale Sicherheit, Arbeitsmarktentwicklung und das Verhältnis von Preis und Einkommen auf die Stimmungslage der Rentner schlagen, rühre aus der Betroffenheit bei deren Kindern und Enkeln. Winkler betonte,
Neuer Schwerpunkt
Die Volkssolidarität
will künftig einen stärkeren Schwerpunkt auf soziale
Rechtsberatung legen, über bereits bestehende Hilfen
in den Sozialstationen hinaus.
Bis zu einer Prozessvertretung,
wie sie der VdK und der Sozialverband
Deutschland anbieten, werde es aber noch ein
langer Weg sein, erklärte VS-Bundesgeschäftsführer
Bernd Niederland. Die VS versuche deshalb, dies über Partnerschaften mit anderen Verbänden zu bewerkstelligen.
(ND)
dass
finanzielle Einschnitte bei Ost-Renten, durch Null-Runden,
Zuzahlungen für Medikamente und künftige Mehrausgaben dank der
Gesundheitsreform, stärkere Folgen hätten als im Westen. In den neuen Ländern würden
rund 92 Prozent der Alterseinkünfte
aus der gesetzlichen Rente bestritten, im Westen dank Betriebsrenten
und anderer Kapitaleinkünfte nur zu 56
Prozent.
Düstere Zukunftsaussichten werden laut VS-Präsident Winkler auch dadurch geschürt, dass seit 1991 rund eine Million Menschen, vorwiegend junge Frauen, den Osten des Landes verlassen haben. So würde die niedrige Geburtenrate weiter sinken: Kinder werden von 72 Prozent der Befragten als finanzielle Last oder beruflicher Nachteil gewertet ( 77 Prozent). 46 Prozent wollten laut Studie wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten und Zukunftschancen keine Kinder in die Welt setzen.
Wenig überraschend
ist daher, dass
die Zukunftsängste 2006 einen historischen Höchststand erreichen - seit 2000 halbierte
sich die Zufriedenheitsquote in Bezug auf Zukunftsaussichten
von 42 auf 20 Prozent. Und 57 Prozent
der Befragten schätzten ihre wirtschaftliche Lage im Vergleich zu 2001 als schlechter
ein - mehr als die Hälfte rechnet mit weiter sinkendem Lebensstandard.
Dieser Unmut und jener
über den
Stand der Demokratieentwicklung führt zu einem gesteigerten politischen
Interesse, gerade bei den Älteren (39 Prozent). Gleichzeitig seien nur
5 Prozent mit ihrem politischen Einfluss
zufrieden. Dabei, so warnte die VS, sei rechtsextremistisches Gedankengut wesentlich mehr verbreitet, als von der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Die Umfrageergebnisse verwiesen eindeutig darauf, dass Rechtsextremismus
und ausländerfeindliches Verhalten nicht
auf gewaltbereite, gering qualifizierte,
ausgegrenzte junge Menschen reduzierbar
ist, sondern alle Altersgruppen erfasst bei wachsenden Anteilen ausländerfeindlicher Auffassungen mit steigendem Alter. Obwohl meist ohne eigene Erfahrungen mit Ausländern, werden sie als eine »Ursache« für soziale Probleme im Osten angesehen. So geben 74 Prozent an, dass es zu viel Ausländer in Deutschland
gebe und ihre Zahl reduziert werden müsste.