Expropriation
Ost
Von
Hanno Harnisch
Manchmal scheint es, als sei das »segensreiche« Wirken der Treuhandanstalt in
Vergessenheit geraten. Ein Milliardentransfer von West nach Ost wird heutzutage
im Westen gerne beklagt. Der Osten Deutschlands als »Fass ohne Boden«, die
»Undankbarkeit« der Ostdeutschen. Diese Leier wird gedreht und gedreht. Nur all
zu selten stellt sich dieser Wegelagererlyrik jemand in den Weg. Doch halt! Da
gibt es ja immer noch den alten Streithammel Günter Grass. Ein ganzes Buch hat er
sogar über die Treuhand geschrieben. Er wurde in Ost und West nicht sonderlich
gemocht. Aber er lässt nicht locker. Mit der Hilfe der Treuhand habe eine Art
»Enteignung in der DDR« stattgefunden, meldete er sich jetzt wieder zu Wort.
Wie wahr doch, und wie wirkungslos. Die Messen sind längst gesungen, die
Milliarden verdient, das Land gespalten. Durch Vererbung wird dieser Zustand
auch noch Generationen anhalten, befürchtet der Dichter. Doch was gilt schon
das Dichterwort im eigenen Land?
Vor knapp 15 Jahren reichte Wolfgang Ullmann am Runden Tisch den Vorschlag zur
Gründung der Treuhand ein. Ein pro Kopf Vermögen der DDR-Bürger von 100000 DM
galt es »treuhänderisch«, also wertmehrend zu verwalten. Am Ende ihres
»produktiven« Geschäfts blieb vom Vermögen der DDR ein Schuldenberg von 275
Milliarden DM übrig. Der Rest? Go West! Der Westen vom Osten alimentiert.
Eigentlich hätten wir uns da mal ein wenig Dankbarkeit verdient.
(ND 05.11.04)