Stellungnahme der Seniorenvertreter aus den DGB-Bezirken der NBL

zum Aussetzen der Rentenanpassung, der veränderten Zahlung des

Pflege-Versicherungsbeitrages und zur beabsichtigten Realisierung

des Nachhaltigkeits-Gesetzentwurfes

 


Wir erklären, dass die jüngst eingeleiteten Maßnahmen in der Gesundheits- und Rentenpolitik vor allem zu Lasten der Rentnerinnen und Rentner sowie Geringverdienenden (z. B. Einkünfte am Rande des Existenzminimums) gehen. Das Aussetzen der Rentendynamisierung, die Zahlung des Vollbeitrages der Pflegeversicherung und die Zuzahlung zur Krankenbehandlung stellen faktisch eine Rentenkürzung dar.

 

Die seit dem 1. 1. 2004 geltenden Regelungen berücksichtigen in keiner Weise die unterschiedlichen Bedingungen der Rentnerinnen und Rentner in den sechs neuen Bundesländern.

 

Die Rentenbezüge in den NBL betragen bekanntlich nur 87,9 % gegenüber den in den alten Bundesländern gezahlten. Gemessen am Alterseinkommen in den Altbundesländern liegen die Einkommen der Rentnerinnen und Rentner in den sechs neuen Bundesländern nur bei ca. 70 %.

 

Deshalb protestieren wir

 

1.      gegen die Aussetzung der Rentenanpassung. Wir Rentnerinnen und Rentner haben durch Arbeitsleistung und jahrzehntelange Beitragszahlung ein Eigentumsrecht in Form von Ansprüchen und Anwartschaften erworben und ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf Rentenzahlungen entsprechend dem Gesetz „Sozialgesetzbuch VI“, das auch eine Dynamisierung der Renten vorsieht.
Die jährliche Anpassung hat danach entsprechend der vorangegangenen Lohn- und Gehaltsentwicklung der beschäftigten Arbeitnehmer zu erfolgen.

2.      gegen die Zahlung des vollen Pflegeversicherungsbeitrages. De facto stellt sie eine reale Kürzung der Rente dar.

3.      gegen die Erhöhung der Arzneimittel-Zuzahlung, die Zahlung einer Praxisgebühr und gegen die Einschränkung bisher von den Krankenkassen getragenen medizinischen Leistungen. Für all diese medizinischen Leistungen müssen wir Rentnerinnen und Rentner im Osten Deutschlands die gleichen Beträge zahlen, obwohl in den NBL ein geringerer aktueller Rentenwert gilt

4.      gegen die seit 1. Januar 2004 eingeführte Regelung, dass Betriebsrenten mit dem vollen Krankenkassen-Beitrag belegt werden. Auch diese Maßnahme die von der Bundesregierung angestrebte Ankurbelung der Binnenkonjunktur. Nicht vorhandenes Geld kann eben nicht im Binnenmarkt ausgegeben werden.

 

Wir sprechen uns dagegen aus

 

im Hinblick auf den Entwurf der RV-Nachhaltigkeitsgesetzes

 

a)      dass die Rentenanpassung nicht ausschließlich davon bestimmt wird, welcher Beitragssatz erreicht wird, vielmehr muss er mit einem bestimmten Leistungsniveau verbunden sein.

b)      dass die Anpassung der Renten nicht mehr nach dem Einkommen, sondern sich an der beitragspflichtigen Bruttolohn- und –gehaltssumme orientieren soll.

c)      dass bei Berechnung der jährlichen Rentenerhöhung die Riester-Anpassungsformel voll zum Nachteil der Rentner angewandt wird

d)      dass der Nachhaltigkeitsfaktor – im Zusammenhang mit dem abzusehenden Rückgang der Beschäftigten im Verhältnis zu den Rentnern – die Rentenanpassung weiter einschränkt.

e)      dass bisher mit keinem Wort eine gesetzliche Regelung angestrebt wird, den aktuellen Rentenwert Ost an den aktuellen Rentenwert West anzugleichen.

f)        dass das möglichen Renteneintrittsalter für Arbeitslose und Altersteilzeit-Beschäftigte auf 63 Jahre angehoben  wird. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters darf nicht losgelöst von einer Erhöhung des realen Erwerbsangebotes erfolgen bzw. muss je nach Berufsgruppe gestaltet werden (Generationen-Gerechtigkeit), damit nicht tausende von angehenden Rentnerinnen und Rentner in die Armut getrieben werden.

 

Wir werden in unseren Einzelgewerkschaften darauf hinwirken, alle Möglichkeiten zu nutzen, in den Seniorenvertretungen und Sozialverbänden der Länder, Städte und Gemeinden, die Politiker auf die soziale Schieflage aufmerksam zu machen und von ihren Unterstützung in unserem Bemühen einfordern.

 

Wir werden eng mit den Sozialverbänden zusammen wirken und gemeinsam Aktivitäten gegenüber der Bundesregierung, des Bundestages und den Länderparlamenten entwickeln. Anzuraten ist auch ein Zusammengehen mit den Seniorenvertretern der Parteien und gesellschaftlichen Organisationen mit dem Ziel, durch entsprechende Anträge und Wortmeldungen auf unser Anliegen aufmerksam zu machen. Bei den Parteien sollten diese Probleme in ihren Aktivitäten und bei der Formierung der Wahl- und Aktionsprogramme Berücksichtigung finden.

 

Vom Bundesvorstand der DGB erwarten wir, dass er die Einzelgewerkschaften mit geeigneten Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Forderungen mobilisiert, dass der DGB wirksam seine Stimme gegen die vorgesehenen Rentenkürzungen und weiteren sozialen Abbau erhebt und auch geeignete juristische Maßnahmen einleitet.

 

Wir wollen gemeinsam dafür kämpfen, dass ein solidarisch, wirtschaftlich tragfähiges Finanzierungsmodell geschaffen wird:

-          dass die vielen Tausend Vermögenden in Deutschland zur Finanzierung der Alterssicherung beitragen;

-          dass alle erwerbstätigen Bürger und Einkommen so wie Arbeitnehmer an der Finanzierung des Sozialsystems beteiligen werden;

-          dass die Zahlung der Sozialbeiträge ergänzt wird durch Abführungen, die sich an der Wertschöpfung orientieren;

-          dass alle Beschäftigten, Rentner und Pensionäre in eine Bürgerversicherung entsprechend ihrem Einkommen einbezogen werden.

 

Der DGB muss auch künftig auf die Folgen und Konsequenzen der aktuellen Steuerpolitik für die Stabilität der Sozialsysteme, auf die voraussichtlichen Auswirkungen, aufmerksam machen und rechtzeitig den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeiten organisieren.

 

Schließlich sollten wir gemeinsam den Beschluss des 17. DGB-Bundeskongresses damit realisieren, endlich nach 14 Jahren deutscher Einheit einen Stufenplan für einen einheitlichen aktuellen Rentenwert zu schaffen.

 

                                                                                                                                             Januar 2004

 

Berlin/Brandenburg    Sachsen         Thüringen       Mecklenburg/Vorpommern                Sachsen-Anhalt

 

Die originale Stellungsnahme ist von den Verantwortlichen unterzeichnet.