Wenn man mit der ersten Antwort nicht zufrieden ist !

Nicht abwimmeln lassen! Stets sachlich argumentieren !

 

Nach den obligatorischen Eingangsbestätigungen sind die ersten Antworten des Petitionsausschusses eingetroffen. Sie haben etwa folgenden Wortlaut:

 

„Sehr geehrte …

zu Ihrer Petition ist eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) eingeholt worden. Eine Mehrfertigung ist als Anlage mit der Bitte um Kenntnisnahme beigefügt.

Sie haben Gelegenheit, sich zu den Ausführungen des BMGS zu äußern. Falls Sie die Fortsetzung Ihres Petitionsverfahrens wünschen, bitte ich um Mitteilung, was noch Gegenstand einer weiteren Prüfung sein soll.

Wenn Sie sich nicht wieder äußern, geht der Ausschussdienst davon aus, dass Ihr Petitionsverfahren als abgeschlossen angesehen werden kann….“

 

Eine Stellungnahme des BMGS lautet:

„…Die Petentin spricht in ihrem Schreiben die rentenrechtliche Berücksichtigung von Einkom­men ehemaliger Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Si­cherheit (MfS/AfNS) an und fordert eine Regelung, wonach die in diesem Sonderversor­gungssystem erzielten Entgelte auch oberhalb des Durchschnittsverdienstes berücksichti­gungsfähig sind. Hierzu nehme ich wie folgt Stellung:                      

Zur Begründung ihrer Forderung bezieht sich die Petentin u. a. auf den Beschluss des Bun­desverfassungsgerichts vom 23. Juni 2004, mit dem das Gericht die rentenrechtliche Rege­lungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) zur Berücksichtung von hohen Verdiensten, die besondere Personenkreise in leitenden Funktionen der ehemali­gen DDR erzielt haben, mit dem Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes für un­vereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet hat, bis zum 30. Juni 2005 eine verfas­sungsgemäße Regelung zu treffen.

Bei der vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Norm geht es um eine 1996 getroffene Regelung zur Begrenzung des rentenrechtlich berücksichtigungsfähi­gen Einkommens für einen Personenkreis mit einem Verdienst ab der Gehaltsstufe eines Hauptabteilungsleiters der Gehaltsstufe E3 (z.B. 31 560 Mark Jahresverdienst im Jahre 1975). Der Regelung lag die auf typisierender Betrachtungsweise beruhende Wertung zugrunde, dass für DDR-Verhältnisse derart außergewöhnliche Verdiensthöhen Ausdruck besonderer Staats- und Systemnähe waren und vor allem aufgrund der Wahrnehmung politi­scher Verantwortung oder Mitverantwortung erzielt wurden. Deshalb sollte für diese hohen Verdienste die Gleichstellung mit den originären bundesdeutschen Beitragszeiten nur bis zur Höhe des Durchschnittseinkommens der neuen Bundesländer und nicht bis in Höhe der Bei­tragsbemessungsgrenze gelten.

Dieser typisierenden Wertung hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss die Grundlage entzogen. Es hat festgestellt, dass auch bei sehr hohen Verdiensten in leitenden Positionen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass diese auf besonde­rer „Staats- und Systemnähe" beruhten und nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt seien. Das Gericht verlangt für eine verfassungskonforme Begrenzungsregelung Tatsachen, die eine Überhöhung der Entgelte auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen belegen. Diese Vorgaben wird Bundesregierung prüfen und für eine verfassungsgemäße Neuregelung zum 30. Juni 2005 sorgen.

Für ehemalige Angehörige des Sonderversorgungssystems des MfS/AfNS hat das Bundes­verfassungsgericht mit seinem grundlegenden Urteil vom 28. April 1999 festgestellt, dass die damalige Begrenzung des für die Rentenberechnung berücksichtigungsfähigen Einkommens auf 70 vom Hundert des Durchschnittseinkommens nichtig war, soweit das der Rentenbe­rechnung zugrundeliegende Entgelt unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsge­biet abgesenkt worden war.

In seiner Entscheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht auch mit der Lohn- und Ge­haltsstruktur der ehemaligen DDR auseinander gesetzt und ausführlich dargelegt, dass die Entgelte der Mitarbeiter des MfS/AfNS im Vergleich zu den übrigen Beschäftigen in allen Tätigkeitsbereichen deutlich überhöht waren. Dies berechtige den Gesetzgeber zu einer ty­pisierenden Begrenzungsregelung, die den Umfang und den Wert der zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte grundsätzlich niedriger einstuft als bei anderen Versicherten aus dem Bei­trittsgebiet; lediglich das Unterschreiten des Durchschnittsentgeltes sei verfassungswidrig.

Auf dieser Grundlage hat der Gesetzgeber mit dem 2. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz -2. AAÜG-ÄndG) sein Gestaltungsermessen dahingehend ausgeübt, nicht über die vom Bun­desverfassungsgericht gesetzten Mindestanforderungen hinauszugehen. Die für nichtig er­klärte Begrenzungsregelung wurde aufgehoben und als neue Höchstgrenze für das der Rentenberechnung zugrunde zu legende Einkommen das jeweilige Durchschnittsentgelt bestimmt. Die pauschale Begrenzungsregelung knüpft an die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellte Überhöhung der Entgelte an und nicht an persönliche Schuld oder politische Gesinnung.

Entgegen der Auffassung der Petentin können die vom Bundesverfassungsgericht aufge­führten Gründe für die Verfassungswidrigkeit der Entgeltbegrenzung der Verdienste ab der Gehaltsstufe E3 nicht auf die Begrenzung für die Entgelte ehemaliger Mitarbeiter des MfS/AfNS übertragen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere die „fallbeil­artige" Wirkung der E3-Begrenzung kritisiert. Denn der betroffene Personenkreis würde ohne die Begrenzung automatisch die Beitragsbemessungsgrenze erreichen. Erst durch Über­schreiten der Werte der Anlage 4 des AAÜG (in der Fassung vor Änderung durch das 2. AAÜG-ÄndG) fallen alle betroffenen Versicherten von der Beitragsbemessungsgrenze auf das Durchschnittsentgelt zurück, während vergleichbare Beschäftigte mit zum Teil deutlich geringerem Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze erreichen können. Ein derartiges Ergebnis ist nach der tatbestandlichen Ausgestaltung des für ehemalige Mitarbeiter des MfS/AfNS einschlägigen § 7 AAÜG ausgeschlossen. Denn ehemalige Angehörige des MfS/AfNS mit hohen und sehr hohen Verdiensten, die ohne die Entgeltbegrenzung die Bei­tragsbemessungsgrenze erreichen würden, fallen nicht hinter Angehörige des MfS/AfNS mit erheblich geringeren Verdiensten zurück.

Das Bundesverfassungsgericht hat zeitgleich die E3-Regelung für verfassungswidrig erach­tet und die für ehemalige Mitarbeiter des MfS/AfNS geltende Regelung bestätigt. Auch das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht der Auffassung dass die den Beschluss zu E3 tra­genden Gründe sich auf § 7 AAÜG übertragen lassen. Es liegen seiner Auffassung nach keine neuen rechtserheblichen Erkenntnisse über die Vergütungsstrukturen beim MfS vor, die geeignet wären, die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen des Urteils vom 28. April 1999 in Frage zu stellen. Dabei hat das Gericht festgestellt:

„Im Übrigen kommen beide Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Mitarbeiter des MfS/AfNS über­durchschnittliche Arbeitsverdienste erzielt haben. Dies entspricht auch dem Stand der Forschung. Die Vergütungs- und Versorgungsordnung des MfS/AfNS fügte sich in das Gesamtkonzept der Selbstprivilegierung dieses Staatsbereichs ein. Der mit diesen Verhältnissen vertraute Gesetzge­ber der Deutschen Demokratischen Republik hat dementsprechend die überhöhten Versorgungen im Bereich des MfS/AfNS in § 2 f. des Gesetzes über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29. Juni 1990 (GBI l S. 501) pauschal gekürzt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts konnte der Ge­setzgeber daran anknüpfen."

Eine Änderung der aktuellen Rechtslage vermag ich nicht in Aussicht zu stellen…“

 

Im Folgenden ein Beispiel für eine mögliche Antwort:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

da die mir von Ihnen übersandte Stellungnahme des BMGS am Kern meines Anliegens vorbei argumentiert, bitte ich um die Fortsetzung meines Petitionsverfahrens.

Der § 7 AAÜG stellt meines Erachtens ein diskriminierendes Sondergesetz dar, das mit Geist und Buchstaben des Grundgesetzes unvereinbar ist. Es ist nicht einzusehen, dass die Angehörigen des MfS in der DDR – wie durch die rentenrechtliche Abstrafung unterstellt wird – „staatsnaher“ gewesen sein sollen als ihre Vorgesetzten im Politbüro und im Zentralkomitee der SED, in der Regierung und im Nationalen Verteidigungsrat der DDR. Es ist nicht einzusehen, dass – wie in meinem Fall – eine überdurchschnittliche  Qualifikation, eine überdurchschnittlich qualifizierte Tätigkeit und eine altersbedingte Einkommenssteigerung im Gegensatz zu allen anderen DDR-Bürgern nicht zu einer überdurchschnittlichen Rente führen dürfen. Es ist nicht einzusehen, dass alle Renten von Beiträgen abgeleitet werden, während die Beiträge der Mitarbeiter des MfS durch Einführung einer gesonderten Beitragsbemessungsgrenze ( 1,0 Entgeltpunkte) nur teilweise anerkannt werden, noch dazu in Kenntnis der Tatsache, dass diese deutlich über den Beiträgen von anderen DDR-Bürgern lagen.

Das BVerfG rechtfertigt seine Entscheidung vom 22.06.04 mit einer „Sonderstellung“ des MfS [1] . Es beruft sich dabei vorrangig auf  den Gesetzgeber der DDR [2] . Die Volkskammer der DDR hatte die Renten für ehem. Mitarbeiter des MfS pauschal auf maximal 990,00 DM begrenzt, Angehörigen der Volkspolizei (VP) und der Nationalen Volksarmee (NVA) jedoch Höchstrenten bis zu 2010,00 DM zugestanden. Die Konsequenz dieser unterschiedlichen Begrenzungen ist, dass damit unterstellt wurde, die nach individuellen Fähigkeiten, beruflicher und Lebenserfahrung sowie Qualifikation und konkreter Aufgabenstellung äußerst differenziert zusammengesetzte Personengruppe der Mitarbeiter des MfS habe durchweg noch nicht einmal die Hälfte der Arbeitsleistung eines VP- oder NVA-Angehörigen erreichen können. Doch selbst eine Begrenzung auf 990,00 DM würde eine Absenkung der MfS-Renten auf das Durchschnittsniveau nicht rechtfertigen. 990,00 DM bedeuteten 171% der mit Pflichtversicherung und durchgängiger freiwilliger Zusatzrentenversicherung für einen DDR-Bürger erreichbaren Rente. [3] Selbst bei ungünstigster Auslegung (Stichtag 31.07.1991) machten 990,00 DM 1,28 und nicht 1,0 Rentenpunkte aus.

Die entsprechenden Beschlüsse der Volkskammer der DDR basierten auf keinen konkreten Untersuchungen oder Berechnungen. Sie waren politische, in der Hysterie der Wendezeit geborene Festlegungen, die das Ziel verfolgten den Volkszorn zu besänftigen und zu kanalisieren.

Es ist bedauerlich, dass das BVerfG mit der These von der angeblichen Selbstprivilegierung des MfS eine Propaganda-Lüge aus dem Hause der Frau Birthler übernommen hat.

Ich selbst hatte als Mitarbeiter/in des MfS keinerlei Privilegien. Jede derartige Unterstellung weise ich als eine üble Verleumdung zurück.

Frau Birthler könnte – falls ich richtig informiert bin – als lebendiges Beispiel für das Zustandekommen „überhöhter“ Einkommen gelten. Sie soll, wie schon ihr Vorgänger im Amt, das Gehalt eines bundesdeutschen Geheimdienstchefs beziehen. Das wären dann drei Gehaltsklassen mehr als das Gehalt des Leiters eines Bundesarchives. Erklärbar wird diese bessere Bezahlung, wenn man bedenkt, dass Frau Birthler sehr sensible Daten, insbesondere z. B. die geheimen Erkenntnisse des MfS zu den bundesdeutschen und anderen westlichen Geheimdiensten zu sichern und zu bewahren hat. Ebenso einleuchtend könnte analog – ohne das Konstrukt einer „Selbstprivilegierung“ – erklärt werden, warum Mitarbeiter des MfS höhere (keineswegs dramatisch überhöhte) Einkommen bezogen haben als die Mitarbeiter anderer bewaffneter Organe der DDR.

Ich halte es für eine kaum zu übertreffende Heuchelei, wenn Leute, die auf eine beachtliche Pension hoffen dürfen, die durchaus das Mehrfache jeder erreichbaren Höchstrente betragen kann und die dafür keinen einzigen Cent Beitrag zahlen müssen, den Mitarbeitern des MfS Privilegien vorwerfen.

Bemerkenswert aus der Antwort des BMGS erscheint mir die Aussage: „Das Gericht verlangt für eine verfassungskonforme Begrenzungsregelung Tatsachen, die eine Überhöhung der Entgelte auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen belegen. Diese Vorgaben wird die Bundesregierung prüfen und für eine verfassungsgemäße Neuregelung zum 30. Juni 2005 sorgen.“

Es ist also bei den E -3 Fällen die Aufgabe der Bundesregierung, den Nachweis „überhöhter“ Entgelte zu führen.  Bei den Mitarbeitern des MfS ist die Beweislast umgekehrt.  Das BVerfG hat die Behörden ausdrücklich nicht verpflichtet, analoge Prüfungen vorzunehmen. Mehr noch: sowohl das Bundesverwaltungsamt als auch die Birthler-Behörde weigern sich bisher, die bei ihnen vorhandenen Daten für die vom BVerfG geforderte Klärung der Einkommens- und Beschäftigtenstruktur des MfS herauszugeben. Das ist  blanke Willkür. Sie werden sicher verstehen, dass ich – wie andere ehemalige Mitarbeiter des MfS auch - alle legalen Möglichkeiten nutzen werde, um mich gegen eine solche diskriminierende Ungleichbehandlung zur Wehr zu setzen.

 

Mit freundlichen Grüßen….“

 

 



[1]   Vgl. BVerfG, 1 BvR 1070/02 vom 22.06.2004, Absatz 13 und BVerfG 1 BvL 3/98 vom 23.06.2004, Absätze 47, 79

[2]   Vgl. BVerfG, 1 BvR 1070/02 vom 22.06.2004, Absatz 14

[3]   Vgl. Vorlagebeschluss des Sozialgerichtes Berlin vom 26.04.04 – Sozialgericht Berlin S 18 RA 7460/01, Seite 31 f.