Der Aufschwung kommt an, die Renten steigen –

Wirklichkeit oder Realitätsverlust?

Von Prof. Dr. Wolfgang Methling, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Landtag
 Mecklenburg-Vorpommern, Umweltminister Mecklenburg-Vorpommern a. D
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„Der Aufschwung kommt bei den Menschen an, bei immer mehr Menschen“, lässt die Bundeskanzlerin uns alle schon im November 2007 wissen. Fast sieben Millionen geringfügig Beschäftige, 700 000 Leiharbeiter und 300 000 Ein-Euro-Jobber bekommen das Gegenteil tagtäglich zu spüren. Nicht zu reden von den 1,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind und erst recht nicht zu reden von denen ohne jeglichen Leistungsbezug. Nicht zu reden auch von den über zwei Millionen Kindern, die in Deutschland in Armut leben. Im gleichen Atemzug wie die Gewinne steigen werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen und die Karawane der Globalplayer zieht weiter dorthin, wo es wieder Fördermillionen und noch billigere Arbeitskräfte gibt. Ja, der Aufschwung kommt an in den Konzernzentralen. Die Gewinne steigen. Die weltweite Finanzkrise verbrennt innerhalb eines Jahres 1000 Milliarden Dollar. Deutschland ist mindestens mit einem hohen zweistelligen Betrag dabei. Ackermann und Co. arbeiten wie die Hasardeure und sind dann geschockt – über ihr eigenes Tun. Die Zeche bezahlt der Steuerzahler. G-8-Gipfel und Klimakonferenzen bringen keine positiven Entscheidungen für die Menschen und den Planeten hervor, sondern sind unverbindliche, nicht einmal unterhaltsame, sondern einfach nur teure Showveranstaltungen. Auch diese bezahlt der Steuerzahler. Die Wählerinnen und Wähler wenden sich von der Politik verdrossen ab. Neofaschismus und Rechtsextremismus werden wieder „alltagstauglich“, Gedankengut, das längst die Mitte der Gesellschaft erreicht hat. Mit der Agenda 2010 wurde diese Republik grundlegend verändert, weil diese Agenda nicht etwa von einer schwarz-gelben Regierung stammt, sondern maßgeblich von einer SPD, die bis dahin immer noch als Arbeiterpartei galt. Nach dem Schröderschen Desaster regiert nun Schwarz-Rot und setzt im Wesentlichen das fort, was Schröder, Riester und Müntefering begonnen haben. Reformen, die den Namen nicht verdient haben, werden in Gang gebracht und lösen die Probleme doch nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Der Sozialabbau geht weiter. Kurz vor den nächsten Wahlen dann immer das gleiche Szenario: bei Kohl waren es 1998 – in christdemokratischem Verständnis eigentlich verpönte – hunderttausende Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, nun ist es eine außerplanmäßige Rentenerhöhung, die nicht einmal die Inflationskosten deckt.

 

Über die Brücke, dass die Ungerechtigkeiten aus der Rentenüberleitung im Zuge des Einigungsprozesses noch in der laufenden Legislatur einer Klärung zugeführt werden, über diese Brücke gehe ich nicht. Es wird wohl bei der Prüfung bleiben. Dass dennoch inzwischen einige Urteile u.a. vom Bundesverfassungsgericht ergangen sind, die das Rentenunrecht und damit die Verfassungs­widrigkeit in einzelnen Fragen bestätigt haben, das ist vor allem ISOR und seinen aktiven Mitgliedern zu verdanken. Dafür gilt Ihnen und Euch Glückwunsch und Dank. Ein politisches Interesse der Bundesregierung an der schnellstmöglichen Beseitigung der Mängel und strafrechtsähnlichen Sanktionen beim angewandten Rentenrecht kann ich aber nicht erkennen. Das Rentenüberleitungsgesetz hätte von jeder Bundesregierung seit seinem In-Kraft-Treten 1991 in den notwendigen Punkten geändert werden können und die damalige PDS hat dies von Anfang an gemeinsam mit Euch gefordert. Auch wenn ich persönlich ein etwas differenzierteres Verhältnis zu den ehemaligen bewaffneten Organen der DDR hatte und habe und dies auch öffentlich geäußert habe, das will ich an dieser Stelle deshalb auch ganz persönlich einflechten, so stehe auch ich – wie meine Partei – an der Seite derer, die sich gegen soziale Ungerechtigkeit zur Wehr setzen. Der SPD-Sozialminister meines Bundeslandes hat gemeinsamen mit dem SPD-Finanzminister aus Sachsen-Anhalt nun in einer Studie (veröffentlicht am 14.04.2008) festgestellt, dass diesem Land und den Betroffenen zunehmend und massenhaft Altersarmut droht. Heureka, möchte man ausrufen, welch neue Erkenntnis! Die Sozialverbände, die Landesarmutskonferenzen, die OECD, die LINKE und auch die Kirchen haben seit Jahren darauf hingewiesen und davor gewarnt. Kanzler Schröder hat mit der Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente und mit der Agenda 2010 alle Schleusen für eine wachsende Armut geöffnet. Und nicht nur die Rentnerinnen und Rentner und die, die es bald werden, müssen darunter leiden. Noch viel schlimmer, wenn man das so sagen kann, ist die Betroffenheit unserer Kinder und Enkel. Ihnen wird zu Millionen eine Zukunft mit Perspektive verbaut. Stattdessen werden sie von Bildungschancen abgekoppelt, ausgegrenzt und schließlich abgestempelt. Mit einem zukunftsfähigen Sozialstaat, einem Bildungsland und einem leistungsfähigen Wirtschaftsstandort hat das nichts zu tun. Eine politische Wende, eine Abkehr von dieser Politik ist zwingend notwendig!

Die aus WASG und Linkspartei hervorgegangene vereinigte LINKE stellt erstmals in der Bundesrepublik Deutschland eine ernsthafte politische Alternative zum etablierten Parteiensystem dar. Vor allem im Westen Deutschlands können wir den Menschen nunmehr hautnah zeigen und sie erleben lassen, dass es auch andere machbare politische Konzepte gibt. Deshalb ist jeder Einzug dort in einen Landtag ein Schritt in eine in unserem Sinn veränderte Republik. Aber auch im Osten erleben wir, dass es nicht egal ist, wer ein Bundesland regiert. Im Bundesrat und den Ministerkonferenzen gibt es keine Stimmen mehr gegen Hartz IV. In Mecklenburg-Vorpommern wird bei der vorschulischen Bildung gekürzt, statt sie auszubauen.

 

Die öffentlich geförderte Beschäftigung wird fast komplett eingestellt. Ein Steinkohlekraftwerk wird als Klimaschutzmaßnahme verkauft. Die neuen Nazis sitzen im Parlament und werden von Steuergeldern mitfinanziert. Dem müssen sich die LINKE und alle demokratischen Kräfte entgegen­stellen. Deshalb sind wir für ein NPD-Verbot und für eine andere Politik, für eine Politik, die den Faschisten den Nährboden entzieht. Deshalb sind wir für eine gute Bildung für alle und ein Leben lang. Deshalb sind wir für einen Existenz sichernden gesetzlichen Mindestlohn und steigende Reallöhne. Deshalb sind wir für die Schaffung eines solidarischen Gesundheitssystems für alle und für ein ausfinanziertes, bedarfsgerechtes Pflegesystem. Deshalb sind wir für armutsfeste Renten und gegen die Rente erst ab 67. Und deshalb sind wir auch für die Abschaffung der Rentenungerechtigkeit – und zwar nicht erst in 5 oder 10 Jahren, sondern sofort.

 

DIE LINKE hat diese Republik schon verändert, es kommt aber darauf an, sie weiter zu verändern!