Rede des Vorsitzenden der ISOR e.V. Horst Parton
auf der Jahresabschlussveranstaltung des Vorstands am 17.12.2003 –
Auszüge:
Verehrte Vereinsfreundinnen und -freunde,
verehrte Gäste,
Wenn in diesen Dezembertagen die Mitglieder und Sympathisanten
unserer Initiativgemeinschaft „ISOR aktuell“ Nr.12 in den
Händen halten, ist es nicht mehr sehr weit bis zum Weihnachtsfest
und bis zum Ende des Jahres 2003. An diesen Tagen, an denen sich das Jahr
seinem Ende zu neigt, bleibt hoffentlich Zeit für Jeden - Rast zu
machen, inne zu halten, nachzudenken über dieses scheidende Jahr.
Es wird viele unserer Mitglieder geben, die sich nicht gerne zurückerinnern.
Hoffnungen auf Frieden und soziale Gerechtigkeit, die vielleicht vorher
vorhanden waren, haben sich nicht erfüllt. Die Krisenherde in dieser
Welt sind nicht weniger geworden, der Weltfriede erscheint mir weiter
entfernt als noch ein Jahr zuvor.
Der Bundestag und die Bundesregierung begingen einen einmaligen Vertrauensbruch
in der Sozialgeschichte Deutschlands gegenüber den heutigen und künftigen
Rentnern. Der 6. November 2003 war nicht nur ein Tag der realen Rentenkürzung
durch den Beschluss einer Nullrunde im Jahr 2004 sowie die dauerhafte
Belastung mit dem vollen Beitrag zur Pflegeversicherung, sondern er war
auch ein Tag düsterer Prophezeiungen, die künftige Rentenerhöhungen
in Frage stellen.
„Ein Staat, der Gerechtigkeit gering schätzt, ist nichts anderes
als eine Räuberbande.“ Diese Erkenntnis ist wahrlich nicht
neu. Sie stammt vom heiligen Augustinus. Sie ist aber als Warnung aktueller
denn je. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren
die Menschen so verunsichert wie heute. Reformen - wenn sie denn sein
müssen -leuchten ein. Nur man hat das Gefühl, die Regierung
und die Opposition packen einseitig zu. Nichts ist mehr verlässlich,
politische Aussagen tragen ein tägliches Verfallsdatum.
Der politische Betrug und die Täuschung des Bürgers sind zur
vorrangigen Handlungsmaxime der Politik geworden. Ab kommendem Jahr spürt
jeder Einzelne von uns, was es heißt, am Jahresende weniger Geld
in der Tasche zu haben. Es fehlt für das tägliche Leben. Das
Prinzip der Lebensstandardsicherung wird aufgekündigt und durch die
These vom Erhalt der sozialen Sicherungssysteme auf niedrigerem Niveau
ersetzt.
Das gegenwärtige Handeln der Politik lässt sich nur noch als
Bestrafung bezeichnen, denn die Kürzungen gehen auch über das
Jahr 2004 hinaus weiter. Und das Schlimme, es gibt keine Perspektiven,
die die Einbußen wieder wettmachen würden. Man kann sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass offensichtlich keiner derer, die da am
Arbeitsmarkt, in der Gesundheit und bei der Rente herumreformieren weiß,
wohin die Reise eigentlich gehen soll.
Unser bibelfester Bundespräsident würde vermutlich dazu aus
dem alten Testament Psalm 74, Vers 9, zitieren, wo es heißt:
„Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da, und niemand
ist bei uns, der etwas weiß.“
Es ist zwischenzeitlich schon widerlich, täglich per Medien die Angriffe
der Finanz- und Wirtschaftsbosse vom Schlag eines Rogowski oder Hundt
hören zu müssen, die Wasser predigen und sich selbst reichlich
Wein einschenken lassen. Sie überbieten sich mit Vorschlägen,
die Sozial- und Rentensysteme zu überziehen und bedienen sich ketzerisch
aller Vorurteile, während sie selbst ihre Gewinne privatisieren und
ihre Verluste sozialisieren.
Unter diesen Umständen Motive bei den Menschen für Sparopfer
zu wecken, geht nicht. Überhaupt vergisst die Politik oft, dass die
Motivation der Menschen zum Kern eines funktionierenden Staates gehört.
Wer das mit Füßen tritt, darf sich nicht wundern, wenn alles
aus dem Ruder läuft. Mit dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss
vom vergangenen Sonntag hat die Allparteien-Koalition, wie schon bei der
Gesundheitsreform zum zweiten Mal zugeschlagen.
Was dem Steuerzahler als Reform verkauft wird, lässt eine klare Linie
hinter dem ganzen Hickhack nicht erkennen. Der Kompromiss hat die Frage
nicht beantwortet, wieviel staatliche Fürsorge nötig ist und
welche Eigenverantwortung wir uns zumuten für den Erhalt einer menschenwürdigen
Gesellschaft.
Wir wissen, dass erheblich mehr an Veränderungen, zum Nachteil der
Schwachen, in dieser Gesellschaft kommen werden. Erkauft wurde der Kompromiss
mit einer Vielzahl von Einschränkungen, die den Arbeitsmarkt und
die sozialen Sicherungssysteme betreffen. Ein Grund zum Jubeln besteht
wahrlich nicht.
Bis der Politik die Erkenntnis von sozialer Gerechtigkeit aufgeht und
sie zu entsprechenden Handlungen animiert wird, wird es wohl noch ein
weiter Weg sein. Aber, nur in der Solidargemeinschaft und im beharrlichen
Widerstand werden wir dem politischen Nimmersatt auf Dauer Paroli bieten
können.
Unsere künftige Rolle im Kampf um soziale Gerechtigkeit und zur Beseitigung
des Rentenstrafrechts auf politischem und juristischen Gebiet kann man
mit den Worten Konrad Adenauers umreißen: „Machen Sie sich
unbeliebt. Dann werden Sie doch ernst genommen.“ Wir haben vor,
uns weiter unbeliebt zu machen.
Wir sind fest entschlossen, unseren politischen Protest massiv fortzusetzen,
konstruktiv und sachlich an der Überwindung des Rentenstrafrechts
mitzuwirken und falls erforderlich, juristisch noch aktiver zu handeln.
Was die Inhalte betrifft, haben wir uns in der Vertreterversammlung und
der Führungskonzeption des Vorstandes eindeutig artikuliert.
Wir werden nicht eher Ruhe lassen, bis für die
ehemaligen Sonderversorgten
· der NVA, des MdI und des Zolls die
jetzigen Bestimmungen des § 6 Absatz 2 und 3 des AAÜG aufgehoben
werden,
· des MfS/AfNS eine annehmbar günstigere Neuregelung des §
7 Abs. 1 AAÜG erfolgt, was nichts anderes heißt, Rente bis
zur Beitragsbemessungsgrenze,
· eine schnelle gesetzliche Regelung zur Sicherung ihres Rechts
auf Dienstbeschädigungsausgleich gemäß eines Urteils des
BVerfG erfolgt,
· die Dynamisierung besitzgeschützter Zahlbeträge nach
der Anpassungsrate Ost gesichert ist.
Diesem Ziel dienen die auf dem Weg gebrachten Musterverfahren
und Verfassungsbeschwerden.
Unsere Hoffnung auf ein baldiges Urteil des BVerfG zu E-3 im positiven
Sinne und damit für eine günstigere Ausgangslage für die
Änderung des § 7 AAÜG geben wir nicht auf. Vielleicht hilft
uns hier ein altes Sprichwort: „Was lange währt, wird gut.“
Was die Frage der Versorgungsbenachteiligung betrifft, brauchen wir für
deren politische Lösung einen langen Atem und die Solidarität
aller Anspruchsberechtigten.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass in Zeiten von Reformen die Politik
uns in dieser Frage nicht zuhört.
Unsere Initiativgemeinschaft ist stark wie ein Baum, der schon manche
Stürme überstanden hat. Der Stamm, unsere Mitglieder der ISOR
- sind zu einem wichtigen Faktor im Kampf um soziale Gerechtigkeit und
gegen das Rentenstrafrecht in der Bundesrepublik geworden. Unsere Wurzeln
erinnern uns daran, dass die Politik dem Gemeinwohl, sozialer Sicherheit
und Gerechtigkeit verpflichtet ist und nicht ausschließlich dem
Kapital.
Z. Zt. ist unser Baum starken Umweltbelastungen ausgesetzt: Massenarbeitslosigkeit,
fehlerhafte Finanz- und Steuerpolitik, Aufrechterhaltung von Rentenstrafrecht,
sogenannte Reformen der sozialen Sicherung bei Gesundheit, Pflege und
Rente sollen auf dem Rücken der Armen und Schwachen, der Rentner
und der schon Benachteiligten der Gesellschaft ausgetragen werden.
Da ist energischer Widerstand angesagt. Wir weisen die Angriffe auf die
sozialen und demokratischen Rechte zurück und werden uns in noch
stärkerem Maße für die Interessen unserer Mitglieder und
der Benachteiligten in diesem Land einsetzen. Unsere Mitglieder bestimmen
die Politik und das Leben in unserer Initiativgemeinschaft.
Klar ist: Wir sind und bleiben nur dann stark wie ein Baum, wenn wir alle
an einem Strang ziehen und solange kämpfen, bis das Rentenstrafrecht
beseitigt und die Versorgungsbenachteiligung überwunden wurde.
Wir sind gut beraten, wenn wir uns hierbei wieder auf eine längere
Periode unseres Kampfes einstellen, zu der jetzt noch die Sicherung des
bisher Erreichten kommt. Wie weit das gelingt, hängt auch vom nicht
nachlassenden Druck aller Betroffenen ab.
Uns hilft kein passives Warten, sondern nur der weitere individuelle und
massenhafte Protest. Aktiv und solidarisch zu handeln, davon lassen wir
uns zu keiner Zeit von Niemandem abbringen. In diesem Zusammenhang möchte
ich auf folgendes aufmerksam machen:
Die übergroße Anzahl der Mitglieder der ISOR hatte als Rentner
den Kampf gegen die Rentenstrafe aufgenommen. Die derzeit 50 - 60-jährigen
werden vielfach erst jetzt und im Zusammenhang mit der Rentenreform damit
konfrontiert.
Der Gewinnung neuer Mitglieder für ISOR kommt oberste Priorität
zu. Wir bekräftigen nochmals: Gegenseitige Hilfe und Beistand in
schwierigen Lebenslagen und Solidarität bleiben oberster Grundsatz
unseres Handelns.
Im Namen des Vorstandes danke ich allen Mitgliedern, den Mitgliedern des
Beirates, den TIG-Vorständen, den Mitgliedern der Arbeitsgruppen
und den vielen einsatzbereiten Betreuern und Kassierern für ihr unermüdliches
und opferbereites Handeln.
Danke für die Hilfe und Unterstützung in dieser schwierigen
Situation sagen wir unseren Rechtsanwälten Bleiberg und Schippert,
Rechtsanwalt Dr. Rothe, allen Mitarbeitern im Anwaltsbüro und ein
besonderes Dankeschön für unser soziales Gewissen, dem Vordenker
Prof. Dr. Edelmann.
Wir sagen Danke an die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und dem Geschäftsführer
Karl-Heinz Hypko. Große Anerkennung den Mitgliedern der Redaktionskommission,
der AG Presse und besonders den fleißigen Frauen, die dafür
sorgen, dass ISOR aktuell und pünktlich die Adressaten erreicht.
Dank und Anerkennung gebührt der AG Recht unter der Leitung von Prof.
Dr. Gruner, den Mitgliedern der AG Finanzen und der Revisionskommission,
besonders Peter Speck und Manfred Krumbholz.
Nicht unerwähnt soll die beim Vorstand von ISOR gebildete Hochwasserkommission
unter Leitung von Dr. Fricker bleiben.
Ihrer verantwortungsvollen Arbeit ist es zu danken, dass neben der sofortigen
materiellen Hilfe das politische Ansehen von ISOR bei vielen Menschen
in den Hochwassergebieten außerordentliche Bedeutung gewonnen hat.
Dank und Anerkennung gebührt Prof. Dr. Pachaly, Prof. Dr. Hellmann,
Prof. Dr. Gruner und Dr. Rothe für ihre wissenschaftliche Studie
zur Wertneutralität des Rentenrechts und deren Verletzung bei Renten
für ehemalige Angehörige der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung
der DDR, die kurz vor ihrer Vollendung steht.
Es ist mir ein persönliches Bedürfnis den Landesbeauftragen
Horst Eismann, Gerd Röseberg, Willi Becker, Siegfried Felgner, Siegfried
Jesse und Dieter Wittstock für ihre politischen Aktivitäten
gegenüber ihren Landesregierungen, den Parlamenten, Parteien und
Verbänden recht herzlich zu danken. Dank an Joachim Karlick, der
in der BAGSO eine hervorragende Arbeit im Interesse von ISOR macht.
Unser Dank gebührt auch den Verbänden, Vereinen und Gewerkschaften,
dem Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden und besonders seinem Vizepräsidenten
Dr. Gerhard Dylla für ihre politischen Aktivitäten und die erwiesene
Solidarität.
Ich verbinde das mit der Zusicherung, dass ISOR e. V. im Kampf um soziale
Gerechtigkeit immer an ihrer Seite zu finden sein wird. Wir erklären
uns mit allen solidarisch, die gegen den Sozialkahlschlag protestieren
und Reformen mit sozialem Augenmaß verlangen.
Wir unterstützen nachhaltig die Forderung, die Unternehmensgewinne
und hohen Vermögen umfassend zur Finanzierung menschenwürdiger
Verhältnisse heranzuziehen.
Verehrte Vereinsfreunde, glücklich sind alle Mitglieder unserer Initiativgemeinschaft,
die mitunter durch erhebliche Rentennachzahlungen ein erfolgreiches Jahr
verabschieden. Der Mehrzahl aber bleibt die Hoffnung, dass das Rentenstrafrecht
beseitigt und soziale Gerechtigkeit hergestellt wird.
Diese Hoffnung und in dieser Hoffnung handelnd, sollen uns mit Zuversicht
in das nächste Jahr blicken lassen. Aber von Hoffnung allein kann
der Mensch nicht leben, wir brauchen aktives und bewusstes Handeln. In
diesem Sinne wünsche ich ein friedliches Weihnachtsfest und ein gesundes
und gutes neues Jahr.
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