Fritz
Streletz Generaloberst a.D.
Zur Vorstellung:
Mein Name ist Streletz, ich
war Generaloberst der NVA. Meine Funktionen waren:
- Chef des Hauptstabes der NVA,
- Stellvertreter des Oberkommandierenden der
Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages
- Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR.
Mit
großer Aufmerksamkeit habe ich die Ausführungen des Genossen Parton verfolgt.
Sicherlich
haben viele von uns gestern im Fernsehen die Sendung mit Maibritt Illner verfolgt.
Schewardnadse kann nicht mehr „russisch"
sprechen, Schabowski musste
in dem „Unrechtsstaat" DDR eine leitende Funktion bekleiden
Und
so ging die Hetze und Verleumdung weiter.
Ausgehend davon möchte ich in meinem Diskussionsbeitrag
gegen diese Lügen und Diskriminierungen auftreten.
Ich
möchte kurz auf zwei Fragen eingehen:
1. Die Lügen- und Hetzkampagne
im Zusammenhang mit der Festveranstaltung in Leipzig
2. Zum angeblichen
Befehl aus Moskau, die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte durfte während
der so genannten „Wende 1989" nicht ihre Kasernen verlassen.
Ich bin bestrebt, bei meinen Auftritten nach Möglichkeit
mich nur zu den Fragen zu äußern,
die ich mit meinen 83 Jahren persönlich erlebt habe,
an denen ich persönlich mitgearbeitet habe bzw.,
die ich auf Grund meiner drei militärischen Funktionen
sach und fachbezogen einschätzen kann.
An Spekulationen beteilige ich mich nicht.
Ich möchte als Erstes auf die Lügen des Bundespräsidenten
Köhler im Zusammenhang mit der Festveranstaltung in Leipzig
eingehen:
Wörtlich formulierte er:
„ Vor der Stadt standen Panzer, die Bezirkspolizei
hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen.
Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität
wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen, und in der Leipziger
Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt."
Da
ich als Sekretär des NVR (Nationaler Verteidigungsrat) auch für die Maßnahmen
in Leipzig eine bestimmte Verantwortung hatte, möchte ich unterstreichen:
- kein einziger Panzer stand vor oder in Leipzig,
- kein Vorgesetzter hat der Bezirkspolizei einen Befehl
oder eine Weisung gegeben, ohne Rücksicht auf Demonstranten zu schießen,
- in keiner Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke
bereitgelegt
- kein einziger Arzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie der
Leipziger Karl-Marx-Universität wurde in die Behandlung von Schussverletzungen
eingewiesen, bestätigt der Direktor der Klinik Professor Karl-Friedrich Lindenau.
Das sind die Tatsachen zu den Leipziger Ereignissen.
Durch solche Lügen und Verleumdungen, selbst durch den
Bundespräsidenten, soll die DDR als „Unrechtsstaat" abgestempelt werden.
Auch so kann man die deutsche Geschichte aufarbeiten
!
Zur 2. Frage:
Zum angeblichen Befehl aus Moskau, die Gruppe durfte
während der Wende 1989 nicht ihre Kasernen verlassen
Immer wieder wird von den
Massenmedien behauptet, Gorbatschow und Schewardnadse haben verhindert, dass
im Herbst 1989 die Panzer gerollt sind.
Dafür wurden beide mit hohen Orden der BRD ausgezeichnet
und mit dem Doktortitel geehrt.
Da diese Frage sicherlich in den nächsten Tagen und
Wochen wieder in den Mittelpunkt der Hetzkampagne gegen uns rückt, möchte
ich mich dazu als Verantwortungsträger und Zeitzeuge äußern.
Es wird behauptet, Honecker und Krenz haben die NVA
deshalb nicht eingesetzt, weil die Russen in Wünsdorf den Befehl aus Moskau
hatten, in ihren Kasernen zu bleiben.
Abgesehen davon, dass es während
der Herbst-Ereignisse 1989 weder bei Honecker noch bei Krenz Überlegungen
gab, die NVA und die Gruppe im Innern der DDR einzusetzen, hätten die annähernd
400.000 Mann der bewaffneten Kräfte der DDR voll ausgereicht, bestimmte Aufgaben
allein zu erfüllen.
Wie verhielt es sich tatsächlich?
Wer
hat von wem welche Befehle erhalten bzw. wer hat wem welche Bitten vorgetragen?
Egon Krenz und ich haben am
13. Oktober 1989 nach der Beratung mit der Bezirkseinsatzleitung in Leipzig
gegen 17.00 Uhr Erich Honecker den Befehl Nr.:9/89 vorgelegt. Nach der Unterzeichnung
meldete ich Erich Honecker, dass der Minister für Nationale Verteidigung befohlen
habe, in der jetzigen politischen Situation keine größeren Truppenbewegungen
und Truppenübungen der NVA durchzuführen.
Die Gruppe führt aber ihre Übungen mit größeren Truppenbewegungen
durch.
Wenn die Truppenteile der
Gruppe ihre Kasernen - vor allen Dingen in den Räumen Leipzig/ Dresden/ Potsdam/
Berlin - verlassen, kann das zu falschen Schlussfolgerungen führen. Es wäre
zweckmäßig, wenn auch die Gruppe in dieser Periode keine größeren Truppenbewegungen
durchführt.
Erich Honecker beauftragte mich, den Oberkommandierenden
der Gruppe, Armeegeneral Snedkow, zu bitten, nach Möglichkeit in den kommenden
Tagen und Wochen keine größeren Truppenübungen durchzuführen.
Am 14. Oktober 1989 habe ich diese Bitte Armeegeneral
Snedkow vorgetragen, der für unser Anliegen volles Verständnis zeigte und
versicherte, den Nachgeordneten die erforderlichen Weisungen zu geben. Gleichzeitig
brachte er zum Ausdruck, dass die Gruppe immer bereit ist, bei Notwendigkeit
den Waffenbrüdern der Nationalen Volksarmee die erforderliche Hilfe und Unterstützung
zu gewähren.
Mitte Dezember 1989 war ich zu einer Beratung
der Generalstabschefs des Warschauer Vertrages über die Vorbereitung der „Wiener
Verhandlungen zur weiteren Abrüstung" in Moskau.
Der Oberkommandierende der
Vereinten Streitkräfte und der Chef des Generalstabes der Sowjetarmee luden
mich zu einem 6-Augengespräch ohne Dolmetscher ein.
Beide
führenden sowjetischen Militärs äußerten sich wie folgt:
„Genosse Streletz, halte immer engen Kontakt zum Oberkommandierenden
der Westgruppe, Armeegeneral Snedkow,
Im
Buch von Gorbatschow:
„ Wie es war - Die deutsche
Wiedervereinigung"
finden wir keinen Bezug auf
einen Befehl aus Moskau an die Westgruppe.
Hätte es einen solchen Befehl von Gorbatschow gegeben,
dann hätte diese Frage in seinem Buch bestimmt einen breiten Raum eingenommen.
Schlussfolgernd kann festgestellt werden:
Die Partei- und Staatsführung
der DDR hat den Oberkommandierenden der West-Gruppe, Armeegeneral Snedkow,
gebeten, die Truppen nach Möglichkeit in den Kasernen zu belassen.
Von einem
Befehl aus Moskau für diese Maßnahme war niemals die Rede.
Gestatten Sie mir abschließend Folgendes zu unterstreichen:
Jeder von uns hat das Recht, die Vergangenheit und die
Gegenwart so einzuschätzen, wie er es für richtig hält. Er sollte jedoch nicht
als Nestbeschmutzer auftreten.
Jeder Angehörige der bewaffneten
Organe der DDR kann auch heute erhobenen Hauptes und mit Stolz auf seinen
geleisteten Ehrendienst zurückblicken.
Die internationale Autorität
der DDR war nicht schlechter als die der BRD. Keiner von uns hat in einem
„Unrechtsstaat" gedient!
Ich bin fest davon überzeugt: Trotz der vielen
Verleumdungen, Diskriminierungen und Kriminalisierungen
wird die Geschichte ein gerechtes Urteil über den Beitrag der DDR
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!