Fritz Streletz Generaloberst a.D.

Ausführungen auf der Vertreterversammlung „ISOR"e. V.

am 06. 11. 2009 in Berlin




Liebe Genossinnen und Genossen !

 

Zur Vorstellung:

 

Mein Name ist Streletz, ich war Generaloberst der NVA. Meine Funktionen waren:

 

- Chef des Hauptstabes der NVA,

- Stellvertreter des Oberkommandierenden der

Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages,

- Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR.

 

Mit großer Aufmerksamkeit habe ich die Ausführungen des Genossen Parton verfolgt.

 

Sicherlich haben viele von uns gestern im Fernsehen die Sendung mit Maibritt Illner verfolgt.

 

Schewardnadse kann nicht mehr „russisch" sprechen,  Schabowski musste in dem „Unrechtsstaat" DDR eine leitende Funktion bekleiden.

 

Und so ging die Hetze und Verleumdung weiter.

Ausgehend davon möchte ich in meinem Diskussionsbeitrag gegen diese Lügen und Diskriminierungen auftreten.

Ich möchte kurz auf zwei Fragen eingehen:

1. Die Lügen- und Hetzkampagne im Zusammenhang mit der Festveranstaltung in Leipzig

 

2. Zum angeblichen Befehl aus Moskau, die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte durfte während der so genannten „Wende 1989" nicht ihre Kasernen verlassen.

 

 

Ich bin bestrebt, bei meinen Auftritten nach Möglichkeit mich nur zu den Fragen zu äußern,

 

die ich mit meinen 83 Jahren persönlich erlebt habe,

an denen ich persönlich mitgearbeitet habe bzw.,

die ich auf Grund meiner drei militärischen Funktionen sach­ und fachbezogen einschätzen kann.

 

An Spekulationen beteilige ich mich nicht.

 

 

Ich möchte als Erstes auf die Lügen des Bundespräsidenten Köhler im Zusammenhang mit der Festveranstaltung in Leipzig eingehen:

 

Wörtlich formulierte er:

Vor der Stadt standen Panzer, die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen.

Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen, und in der Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt."

 

Da ich als Sekretär des NVR (Nationaler Verteidigungsrat) auch für die Maßnahmen in Leipzig eine bestimmte Verantwortung hatte, möchte ich unterstreichen:

 

- kein einziger Panzer stand vor oder in Leipzig,

- kein Vorgesetzter hat der Bezirkspolizei einen Befehl oder eine Weisung gegeben, ohne Rücksicht auf Demonstranten zu schießen,

- in keiner Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt,

   - kein einziger Arzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie der Leipziger Karl-Marx-Universität wurde in die Behandlung von Schussverletzungen eingewiesen, bestätigt der Direktor der Klinik Professor Karl-Friedrich Lindenau.

 

 

Das sind die Tatsachen zu den Leipziger Ereignissen.

 

Durch solche Lügen und Verleumdungen, selbst durch den Bundespräsidenten, soll die DDR als „Unrechtsstaat" abgestempelt werden.

 

Auch so kann man die deutsche Geschichte aufarbeiten !

Zur 2. Frage:

Zum angeblichen Befehl aus Moskau, die Gruppe durfte während der Wende 1989 nicht ihre Kasernen verlassen.

Immer wieder wird von den Massenmedien behauptet, Gorbatschow und Schewardnadse haben verhindert, dass im Herbst 1989 die Panzer gerollt sind.

 

Dafür wurden beide mit hohen Orden der BRD ausgezeichnet und mit dem Doktortitel geehrt.

Da diese Frage sicherlich in den nächsten Tagen und Wochen wieder in den Mittelpunkt der Hetzkampagne gegen uns rückt, möchte ich mich dazu als Verantwortungsträger und Zeitzeuge äußern.

 

Es wird behauptet, Honecker und Krenz haben die NVA deshalb nicht eingesetzt, weil die Russen in Wünsdorf den Befehl aus Moskau hatten, in ihren Kasernen zu bleiben.

Abgesehen davon, dass es während der Herbst-Ereignisse 1989 weder bei Honecker noch bei Krenz Überlegungen gab, die NVA und die Gruppe im Innern der DDR einzusetzen, hätten die annähernd 400.000 Mann der bewaffneten Kräfte der DDR voll ausgereicht, bestimmte Aufgaben allein zu erfüllen.

 

Wie verhielt es sich tatsächlich?

 

Wer hat von wem welche Befehle erhalten bzw. wer hat wem welche Bitten vorgetragen?

Egon Krenz und ich haben am 13. Oktober 1989 nach der Beratung mit der Bezirkseinsatzleitung in Leipzig gegen 17.00 Uhr Erich Honecker den Befehl Nr.:9/89 vorgelegt. Nach der Unterzeichnung meldete ich Erich Honecker, dass der Minister für Nationale Verteidigung befohlen habe, in der jetzigen politischen Situation keine größeren Truppenbewegungen und Truppenübungen der NVA durchzuführen.

 

Die Gruppe führt aber ihre Übungen mit größeren Truppenbewegungen durch.

Wenn die Truppenteile der Gruppe ihre Kasernen - vor allen Dingen in den Räumen Leipzig/ Dresden/ Potsdam/ Berlin - verlassen, kann das zu falschen Schlussfolgerungen führen. Es wäre zweckmäßig, wenn auch die Gruppe in dieser Periode keine größeren Truppenbewegungen durchführt.

 

Erich Honecker beauftragte mich, den Oberkommandierenden der Gruppe, Armeegeneral Snedkow, zu bitten, nach Möglichkeit in den kommenden Tagen und Wochen keine größeren Truppenübungen durchzuführen.

Am 14. Oktober 1989 habe ich diese Bitte Armeegeneral Snedkow vorgetragen, der für unser Anliegen volles Verständnis zeigte und versicherte, den Nachgeordneten die erforderlichen Weisungen zu geben. Gleichzeitig brachte er zum Ausdruck, dass die Gruppe immer bereit ist, bei Notwendigkeit den Waffenbrüdern der Nationalen Volksarmee die erforderliche Hilfe und Unterstützung zu gewähren.

Mitte Dezember 1989 war ich zu einer Beratung der Generalstabschefs des Warschauer Vertrages über die Vorbereitung der „Wiener Verhandlungen zur weiteren Abrüstung" in Moskau.

Der Oberkommandierende der Vereinten Streitkräfte und der Chef des Generalstabes der Sowjetarmee luden mich zu einem 6-Augengespräch ohne Dolmetscher ein.

 

Beide führenden sowjetischen Militärs äußerten sich wie folgt:

„Genosse Streletz, halte immer engen Kontakt zum Oberkommandierenden der Westgruppe, Armeegeneral Snedkow, Armeegeneral Snedkow hat die Weisung, die NVA der DDR bei Notwendigkeit, allseitig zu unterstützen."

 

Im Buch von Gorbatschow:

Wie es war - Die deutsche Wiedervereinigung"

finden wir keinen Bezug auf einen Befehl aus Moskau an die Westgruppe.

Hätte es einen solchen Befehl von Gorbatschow gegeben, dann hätte diese Frage in seinem Buch bestimmt einen breiten Raum eingenommen.

 

 

Schlussfolgernd kann festgestellt werden:

 

Die Partei- und Staatsführung der DDR hat den Oberkommandierenden der West-Gruppe, Armeegeneral Snedkow, gebeten, die Truppen nach Möglichkeit in den Kasernen zu belassen.

Von einem Befehl aus Moskau für diese Maßnahme war niemals die Rede.

Gestatten Sie mir abschließend Folgendes zu unterstreichen:

Jeder von uns hat das Recht, die Vergangenheit und die Gegenwart so einzuschätzen, wie er es für richtig hält. Er sollte jedoch nicht als Nestbeschmutzer auftreten.

 

Jeder Angehörige der bewaffneten Organe der DDR kann auch heute erhobenen Hauptes und mit Stolz auf seinen geleisteten Ehrendienst zurückblicken. Er hat seine Aufgaben nach dem Recht und den Gesetzen des Staates erfüllt, der von 138 Staaten dieser Welt anerkannt war.

Die internationale Autorität der DDR war nicht schlechter als die der BRD. Keiner von uns hat in einem „Unrechtsstaat" gedient!

 

Ich bin fest davon überzeugt: Trotz der vielen

 

Verleumdungen, Diskriminierungen und Kriminalisierungen wird die Geschichte ein gerechtes Urteil über den Beitrag der DDR zur Erhaltung des Friedens in Europa fällen.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!