Endlich Schluss mit Rentenungerechtigkeit!
Der Vorsitzende der
GBM, Prof. Dr. Wolfgang Richter, richtete
am 5. März 2007 an die Vorsitzenden
der Fraktionen der im Bundestag
vertretenen Parteien ein Schreiben,
in dem es heißt:
Zehntausende
Bürger, viele Sozialverbände, ihre regionalen Untergliederungen und ihre Mitglieder, wandten sich in den
vergangenen Jahren an den Petitionsausschuss, an Mitglieder der Regierung und
an Abgeordnete ihres Wahlkreises mit der Forderung, die Aussetzung der Rentenanpassungen zu beenden, zum 1.
Juli 2007 eine Rentenanpassung zumindest in Höhe der Inflationsrate vorzunehmen und den Rentenwert
Ost an den in den alten Bundesländern gültigen Rentenwert im Verlauf einer
kurzen Zeitspanne
anzugleichen.(...)
Die
Forderungen der Bürger wurden mit immer den gleichen Argumenten zurückgewiesen. Leider hat
auch eine Mehrheit
im Bundestag die Petitionen abgelehnt. Das empfinden die Betroffenen in zunehmendem
Maße als unerträglich
und als eine grundgesetzwidrige Verletzung ihrer durch Arbeit und Beiträge
erworbenen Eigentumsrechte. Im Namen der 3600 Mitglieder der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerecht und
Menschenwürde e.V. (GBM) fordern wir die Fraktionen der im Bundestag vertretenen
Parteien auf, ihren Standpunkt zu überprüfen und der Regierung zu empfehlen, Gesetzesnovellierungen
einzubringen, die diese Ungerechtigkeiten beseitigen.
Gleiche
Lebensbedingungen durch Rentenanpassungen?
Bundeskanzler Kohl versprach
1990 gleiche Lebensverhältnisse in Ost und
West innerhalb von 3 bis 5 Jahren. Diese Zeitspanne widerspiegelte sich auch in der Zielsetzung des Rentenüberleitungsgesetzes
(RÜG) vom 25. Juli 1991, „mit der Angleichung
der Löhne und Gehälter... auch eine Angleichung
der Renten" zu erreichen. Mit diesem Gesetz wurde die Anpassung der Ostrenten durch § 255a SGB
VI geregelt. Durch die sich
deutlich unterscheidenden Rechtsbestimmungen
auf dem Gebiet der Rente und die
gänzlich andere Preispolitik in der
DDR waren Übergangsbestimmungen unumgänglich.
Nur für diese Aufgabe waren die
besonderen Rentenanpassungsbestimmungen
im 255 a bis f des SGB VI bestimmt. Diese Bestimmungen werden jedoch inzwischen ins Gegenteil verkehrt und benutzt, um die Aussetzung von Rentendynamisierungen oder ihre Reduzierung auf
ein Niveau unter der Inflationsrate zu begründen. Etwa 1996 erreichte das
Preisniveau einschließlich der Tarife
für Strom, Wasser, Gas, öffentliche
Verkehrsmittel und andere Dienstleistungen
in den neuen Bundesländern (NBL)
endgültig die Höhe in den alten Bundesländern.
Seitdem sinkt der Realwert der Renten auch im Osten ständig. Dies wird verursacht durch eine unter der Inflationsrate liegende Anpassung der Renten. Für 2007 droht nunmehr die vierte Aussetzung
der Rentenanpassung. Der Sozialreport
für 2006 der Volkssolidarität verwies
deshalb darauf, dass 57 % der
Befragten in den NBL ihre Lage als
erneut schlechter geworden einschätzen
und einen weiter sinkenden
Lebensstandard befürchten.
Weiter
setzt sich das Schreiben mit Argumenten zur Höherwertung der Rentenansprüche nach Anlage 10 zum SGB VI, zur Berechnung des aktuellen Rentenwerts, zur Rentenanpassung auseinander
und spricht sich für das von der
Gewerkschaft ver.di vorgelegte Programm
zur Anpassung der Ostrenten aus.
Ist die Angleichung
des Rentenwertes Ost eine Besserstellung gegenüber den Rentnern im Westen Deutschlands?
Diese
These ist falsch und reiht sich ein in die schmerzhaften Wiederholungen der Diffamierung
der Bürger in
den NBL. Nochmals sei klargestellt: Die Bürger in den
NBL wollen keine
Besserstellung, sondern eine gleiche Rentenhöhe, wie sie Bürger in den alten Bundesländern
mit gleichen Entgeltpunkten
erhalten....
Die
meist unkommentierte Gegenüberstellung bestimmter Rentenzahlbeträge ist ebenfalls
nichts anderes als eine Verdrehung der Tatsachen. Bei den statistischen Angaben über durchschnittliche
Zahlbeträge der Renten ist zu beachten, dass auch die Zahlbeträge der Rentner in den NBL mit hohen Einkommen
in die Gegenüberstellung
eingegangen sind. Dagegen ist kein Universitätspräsident, Professor oder anderer Wissenschaftler, Chefarzt, Stadtbaudirektor,
Manager,
Konzernchef oder erfolgreicher Künstler in der Rentenstatistik der alten
Bundesländer enthalten, da sie entweder Beamtenpensionen erhalten, Leistungen der
Zusatzversorgung
(VBL), der berufsständischen Versorgungen oder Betriebsrenten beziehen. Wenn man statistische
Vergleiche
anstellt, so wäre zu konstatieren, dass berechtigt hoch dotierten Angehörigen der
Intelligenz der DDR mit der Überleitung ihrer Ansprüche in die gesetzliche
Rentenversicherung
der Bundesrepublik durch die Beitragsbemessungsgrenze ein Drittel bis die Hälfte der
Alterseinkünfte entzogen wurden und sie damit bedeutend weniger Alterseinkünfte als ihre westdeutschen Kollegen mit
gleicher Qualifikation
und Leistung erhalten. Dieser beträchtliche Unterschied wird in den Gegenüberstellungen der Rentenstatistiken
nicht beachtet.
Natürlich,
wenn man nur die Frauenrenten gegenüberstellt, so ergeben sich oft bessere Renten für den Osten, da die DDR-Frauen
Ansprüche aus
mehr Arbeitsjahren und höheren Einkommen erworben hatten. Bei den Gesamteinkünften der
Familie sind wieder
bessere Ergebnisse für den Westen, auch durch Einkommen aus Grund- oder Immobilienbesitz
und Kapitalerträgen, zu verzeichnen. Hinzuweisen wäre hier auch darauf, dass
ein unterschiedliches Bruttosozialprodukt (BSP) und damit unterschiedlich hohe Einzahlungen in die
Rentenkasse
in den westlichen Bundesländern keine unterschiedlichen Rentenentgeltpunkte und somit
auch keine unterschiedlichen Renten ergeben. Das niedrigere BSP und die untertariflichen Löhne in den NBL
führen dagegen
zu geringeren Renten.(...)
Ferner
analysiert der Brief die Manipulationen mit dem Begriff „Standardrente" und das
voraussehbare Absinken der Durchschnittsrente.
Die „Unterbrechung der Rentenangleichung" und ihr
tatsächliches Ergebnis
Die
Aussetzung der Rentenangleichung seit 2003 wird als eine nur zeitweise Unterbrechung der
Dynamisierung
und der schrittweisen Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert (West)
dargestellt. Leider ist selbst dies nicht die Wahrheit. Im Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung für 2005 ist
- ohne weitere Begründung - das Erreichen des gleichen
Rentenwertes erst im Jahre 2030 vorgesehen. Bei Anwendung der Regelungen des § 255a SGB
VI - und Fortsetzung etwa gleicher
Entwicklung der Einkommensverhältnisse der Erwerbstätigen - ist, wie der Präsident der Volkssolidarität,
Prof. Dr. Gunnar Winkler, am 5. Dezember 2006 auf einer Rentenfachtagung einschätzte, ein gleicher
Rentenwert erst nach 212 Jahren möglich. Die Zielsetzung der Bundesregierung
zur Rentenangleichung ist völlig unakzeptabel.(...)
In diesem Zusammenhang widerlegt das Schreiben die
Behauptung, die demographische
Entwicklung verlange um der
„Generationengerechtigkeit" willen,
die Rente abzusenken. Weiter wird ausgeführt:
Die
Sozialverbände und viele Wissenschaftler haben seit vielen Jahren gründlich errechnete und
beweiskräftige Konzepte einer wirklichen Rentenreform, die diesen Namen auch zu Recht tragen kann, vorgelegt so z.B. die GBM 2005 von Prof.
Dr. Axel Azzola
und Prof. Dr. Ernst Bienert unter dem Titel „Vorschläge zur Reform der sozialen
Sicherungssysteme" oder 2007 das gemeinsame Konzept des Sozialverbandes (SoVD),
des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Volkssolidarität „Für die Fortentwicklung der gesetzlichen
Rentenversicherung
zu einer Erwerbstätigenversicherung". Alles, was von den Regierungen unternommen wurde, geht jedoch ins Gegenteil
oder verschiebt die zu lösenden Probleme aus wahltaktischen Gründen auf später. Damit stauen
sich die Probleme; aber auch der Versuch, sie auf Kosten der Rentner zu lösen, geht
nicht auf.
Ein notwendiger Vergleich der
Renten Ost - West
Immer wieder wird als „sozialpolitischer Fortschritt" der Vergleich der gegenwärtigen Rente in den NBL mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) 1990 gewertet. Jede Kritik daran übersehe die enormen Belastungen, die von den Beitragszahlern zu tragen sind und wäre rechtlich und sozialpolitisch gegenüber den Rentnern in den alten Bundesländern nicht zu verantworten. So heißt es immer wieder. Neben der bereits dargestellten falschen Berechnungsgrundlage solcher Statistiken ist auf den Alterssicherungsbericht der Bundesregierung von 2005 (veröffentlicht im März 2006) zu verweisen. Danach betrugen die Renteneinkommen bei Männer im Westen im Jahre 2005 durchschnittlich 1.471 Euro und 1.142 Euro im Osten, dazu kommt im Westen ein weiteres durchschnittliches Einkommen von 420 Euro durch Betriebsrenten.
Diese statistischen Zahlenbeweise werden in. dem Brief
fortgesetzt Er fährt fort:
In den Medien und von Politkern
aus den alten Bundesländern wird oft behauptet, dass die Ostrentner vor
der Vereinigung nicht in die Rentenkasse eingezahlt hätten und die Rentner im
Westen deshalb zusätzlich belastet werden. Unabhängig davon, dass
dieser Vorwurf schon deshalb falsch ist, weil er das Prinzip der
gesetzlichen Rentenversicherung, die Umlagefinanzierung,
missachtet, müssen auch die Leistungen beachtet werden, die die
Bürger der DDR nach 1945 zusätzlich leisten mussten. Sie haben allein
die Reparationsverpflichtungen für ganz Deutschland an die Sowjetunion
und die anderen osteuropäischen Länder erfüllt. Mit der Teilung Deutschlands
war es notwendig, ganze Industriezweige, insbesondere die Schwerindustrie,
neu zu errichten. Unermesslichen Schaden erlitt die DDR auch durch die
Hallsteindoktrin und den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen,
politischen und diplomatischen Boykott der DDR.
Die Extragewinne der deutschen Großunternehmen, Banken und
Versicherungen. Handelsketten und nicht zuletzt die Immobilien und der Boden, die Übernahme der
ostdeutschen Betriebe,
der Patente, des Absatzmarktes sowie die Möglichkeit, durch die Beschäftigung gut ausgebildeter Facharbeiter, Ingenieure
und Wissenschaftler
die Wirtschaftskraft und die Gewinne zu steigern, sind niemals mit einer Sondersteuer
belastet worden. Einen solchen Standortvorteil hatte niemals zuvor eine Großmacht.
Außerdem ist zu beachten, dass gemäß der Umlagefinanzierung natürlich die Erwerbstätigen
in den NBL seit 1990 ihren Beitrag zur Rentenfinanzierung leisten. Wenn
er kleiner ist, so ist er auf untertarifliche
Bezahlung einer großen Zahl von
Beschäftigten, doppelt so hohe Arbeitslosigkeit,
Zeitarbeitsverhältnisse, 1-EURO-Jobs und die
erzwungene Selbstständigkeit mit niedrigen
Einkommen zurückzuführen. Dies sind
die Faktoren, welche niedrigere Ostbeiträge in die Rentenkasse
verursachen. Nicht zu übersehen sind auch
die eineinhalb Millionen Bürger der NBL, die in die westlichen Länder verzogen sind, weil sie im Osten keine
Arbeit fanden. Die Pendler, welche im Osten wohnen, aber im Westen arbeiten, bringen ebenfalls nur Einnahmen
in die westdeutsche Rentenkasse.(...)
Das Schreiben macht
Vorschläge, wie eine schnellere Anpassung der Rentenwerte finanziert und die jährliche Rentenanpassung für alle
Rentner wieder aufgenommen werden könnte. Es stellt fest, dass die gesetzliche
Rentenversicherung in eine Legitimationskrise geraten ist. Abschließend heißt es:
Wir erwarten Ihre
Unterstützung und Ihren Einsatz, dass endlich wieder eine Rentenanpassung am 1. Juli 2007 erfolgt und die Regierung
mit Hilfe des
Bundestages ein verlässliches Stufenprogramm der schnelleren Anpassung des Rentenwertes
Ost an den Wert
West vorlegt. Die Aussetzung der Rentenanpassung seit 2004 und der „Fortbestand
der zwei Rentengebiete", wie es in der Resolution des 18. DGB-Bundeskongresses bezeichnet wurde, ist ein
ernsthaftes Hindernis bei der Verwirklichung der Einheit und eine fortgesetzte Diskriminierung der Bürger in den NBL als
Bürger zweiter Klasse. Mehr noch, erfolgt nicht mit den in §§ 68 und 255a SGB VI geschaffenen
Rentenanpassungsbestimmungen ein verfassungswidriger Eingriff in die durch
Leistung und Beiträge erworbenen Eigentumsrechte der Bürger an Rentenleistung?
Wir fordern deshalb
· eine
mindestens über der Inflationsrate liegende Rentenanpassung zum 1. Juli 2007; die
Unterstützung des ver.di-Stufenprogramms zur Angleichung der Rentenwerte Ost,
beginnend mit dem ].Juli 2007 und ohne Belastung der Erwerbstätigen und der
Rentner in den alten Bundesländern;
· eine
Veränderung der §§ 68 und 255a SGB VI, da dieses Anpassungsmodell
zu einem permanenten Absinken des Realwertes der Renten
führt. Dies ist zugleich eine grundgesetzwidrige Enteignung der
durch Arbeit und Beiträge erworbenen Rentenansprüche;
· die
Ausarbeitung einer echten Rentenreform, die ein auskömmliches
Leben im Alter sichert, sowie die Beachtung der Vorschläge
und Einbeziehung der Sozialverbände dabei;
· die
Umstellung der Beiträge der Unternehmen zu den Sozialsystemen auf das Wertschöpfungsprinzip
und die Erhöhung ihres Anteils an den Sozialfonds.(...)
Quelle: Monatszeitung der GBM „akzente“ Nr. 4/07