20. Mai 2010 - erneute Rentendebatte im Bundestag

Von Eberhard Rehling, Sozialer Arbeitskreis Berlin-Treptow

Ein neuerlicher Antrag der Linksfraktion brachte die Alterssicherung der Beitrittsbürger noch einmal auf die Tagesordnung des Bundestages.

 

Insbesondere die Redner der Regierungsparteien dokumentierten mit ihren Äußerungen, dass sie das eigentliche Problem immer noch nicht begriffen haben oder es nicht begreifen wollen. Ihre Ausführungen drehten sich im Kern immer nur darum, im bundesdeutschen Rentenrecht nach Lösungen für DDR-Spezifische Regelungen zu suchen. Nach wie vor wird versucht, Personengruppen, die in der DDR Angestellte waren, also z.B. Professoren, Künstler, Polizisten, Eisenbahner oder Ingenieure in der Braunkohleveredelung mit beitragspflichtigen Zusatzregelungen für die Alterssicherung in das Schema der Rentenversicherung zu pressen. Das geht aber nun einmal nicht.

 

Wenn auch der Redner der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag noch neu in seiner Rolle ist, so war auch ihm offenbar nicht klar, dass die Rente im Beitrittsgebiet einen Anteil von 98% am Alterseinkommen hat. Im Gegensatz dazu beträgt ihr Anteil in der Alt-BRD etwa 75 %, also 25 % des Alterseinkommens werden durch andere Versorgungen gedeckt. Diese „anderen Versorgungen" hießen in der DDR Sonderversorgungen wie etwa die FZR oder die Einzelverträge für die Intelligenz und Andere, aber eben diese wurden in die GRV überführt und damit gestrichen! Noch unsinniger war die erneut geäußerte Absicht der FDP für eine kapitalgedeckte „Nachversicherung". Von dieser Seite sind zurzeit politische Lösungen nicht zu erwarten!!

 

Einige positive Ansätze bei Rednern von SPD und GRÜNEN sind zwar interessant und begrüßenswert, wären jedoch eher von Wert gewesen, als sie noch in Regierungen waren. Seinerzeit haben ihre Fraktionen allerdings anders gesprochen!

 

Hinsichtlich der Angleichung des Rentenwertes gab es seitens der Regierungsparteien keine positiven Signale, lediglich Bedenken bei der vermeintlichen Schaffung „neuen Unrechts". Der Hinweis auf fehlendes Geld durfte auch nicht fehlen.

 

Bei der Erinnerung an niedrige DDR-Renten wurde natürlich der Unterschied im Preisniveau zwischen DDR und BRD ausgeblendet, und viele wissen das vielleicht auch gar nicht mehr. Übrigens gibt es die DDR seit 20 Jahren nicht mehr und deshalb geht es nun doch eher um Gegenwart und Zukunft.

 

Die FDP-Fraktion hält offenbar an ihrer im Jahre 2008 für ein einheitliches Rentenrecht Ost und West eingebrachten Idee fest. Darin wurde von der Bundesregierung gefordert, die Rechengrößen für die Rentenversicherung in den alten und den neuen Bundesländern zum Stichtag 01. Juli 2010 in einheitliche Werte zu überführen. Ab dem Stichtag sollten sich alle Renten im Bundesgebiet entsprechend der Entwicklung des einheitlichen Rentenwertes anpassen. Erwartete künftige Rentensteigerungen im Ergebnis der Angleichung des Rentenwertes Ost sollen mit einer Einmalzahlung abgefunden werden. Diese Geldsumme sollte an die persönliche Lebenserwartung angepasst werden. Dabei blieb unklar, auf welcher Grundlage die Lebenserwartung bestimmt werden sollte. Versicherungsgesellschaften benutzen dafür unterschiedliche Tabellen, die mit wissenschaftlich erarbeiteten Prognosen mitunter wenig zu tun haben. Es handelte sich bei diesem Antrag um eine nicht ungeschickt aufgemachte Mogelpackung. Er hatte praktisch nichts mit einer Angleichung des Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert zu tun. Die Erhaltung der bestehenden Rentenansprüche und -anwartschaften hätte letztlich eine Stabilisierung des bisherigen unterschiedlichen Zahlbetrages bedeutet. Die Benachteiligung insbesondere auch künftiger Rentnerinnen und Rentner im Beitrittsgebiet bei den Alterseinkommen wäre dauerhaft bestehen geblieben. Und das möchten diese Leute offenbar auch weiterhin anbieten.

 

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP steht, dass sich das gesetzliche Rentensystem auch in den Neuen Ländern bewährt hat und sie in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einführen wollen.

 

Von der Kanzlerin und aus ihrem Umfeld hören wir seit Jahren immer wieder neue Versprechungen zur Alterssicherung. Passiert ist nichts, die Sache liegt also auf der ganz langen Bank und die „Gewinner der Einheit" - wie uns die CDU gerne nennt - werden weiterhin vertröstet, um es milde auszudrücken.

Eventuell ist es aber auch so, dass angesichts der vielen oft beschworenen Probleme die Fähigkeit zur Lösung fehlt. Das spürt man ja auch täglich bei der Beobachtung der „Tätigkeit" dieser Regierung.

Die Mehrheit des Bundestages konnte auch dieses Mal nicht über ihren Schatten springen. Ob sie es jemals können wird? Wir Rentnerinnen und Rentner sind keine tonangebende Schicht in diesem Lande. Wir gehören nur zum bedingt nützlichen „Humankapital".

Es dürfte bei politischem Willen und angesichts der milliardenschweren und überaus schnellen Entscheidungen zur Banken- und Eurorettung nicht allzu schwierig sein, Regelungen für die im Antrag der LINKEN benannten Personengruppen zur Gerechtigkeit bei der Alterssicherung zu finden, zumal die Betreffenden in ihrer Zahl begrenzt sind und im Laufe der Zeit immer weniger werden. Schließlich hat die BRD durch den Beitritt der DDR auch deren Rechtsnachfolge übernommen.

In diesem Zusammenhang sei hier nochmals auf die notwendige Angleichung des Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert verwiesen.

Der 2007 von der LINKEN eingebrachte Antrag zur Angleichung des Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert wurde ebenfalls mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP abgelehnt. Dieser Antrag ist aber noch „warm". Er ist in Gestalt des „Aufrufs für eine gerechte Rentenangleichung in den neuen Bundesländern" vom Bündnis für Rentenangleichung nahezu inhaltsgleich auf die Tagesordnung gekommen und wurde der neuen Regierung übergeben. Gemäß diesem Aufruf wäre die Anpassung innerhalb von 10 Jahren zu vollziehen und aus Steuermitteln als Aufgabe der Herstellung der deutschen Einheit zu finanzieren. Weder Rentnerinnen und Rentner noch Beitragszahler wären zusätzlich belastet.

 

Seit dem 01. Juli 2009 beträgt die Differenz der Rentenwerte 11,29 % zu Lasten des Rentenwertes Ost. In den folgenden Jahren ist nur noch mit minimalen Rentenerhöhungen zu rechnen. Ab 2010 drohen viele Jahre mit Minierhöhungen oder gar Nullrunden. Grund dafür ist, dass in den Jahren 2008 und 2009 der Riesterfaktor ausgesetzt wurde. Seine Wirkung wird ab 2010 „nachgeholt".

 

Umso nachhaltiger müssen wir unsere Forderung nach Angleichung des Rentenwertes vertreten. Die zu verzeichnende Annäherung ist auch nicht Resultat des politischen Willens. Es ist eher damit zu rechnen, dass nun verstärkt auf die automatische Lösung gesetzt wird. Alles nach dem Motto „regt Euch nicht auf, wir machen das schon!".

 

Als Begründung für die Verzögerung einer Rentenangleichung wird seitens der bisherigen und der gegenwärtigen Regierung auf die Schwierigkeit der Lösung hingewiesen. Vor allem geht es aber wohl darum, die Rentenanpassung Ost an West zum Nulltarif zu erledigen.

 

Permanent werden Berechnungen zuerst in den Medien aber dann auch in den Sachverständigenkommissionen angestellt, in denen die weitere Anwendung der Hochwertung der Ostlöhne und -gehälter bei der Rentenberechnung in Frage gestellt wird. Diese Praxis führe dazu, dass im Beitrittsgebiet im Ergebnis höhere Renten zur Auszahlung kämen.

 

Bei der nunmehr langjährigen Beobachtung dieser so genannten Beweise gewinnt man den Eindruck, dass dieses Nullsummenspiel die oberste Prämisse für das Ergebnis ist. Das Niveau der Ostrenten muss unter dem der Westrenten bleiben. Etwas anderes sei nicht zu vermitteln und vor allem höchst ungerecht. Erstaunlich ist, wie simpel dabei gearbeitet wird. Einerseits werden „gefühlte" Erkenntnisse ins Feld geführt, andererseits werden amtliche Statistiken nicht zur Kenntnis genommen. Mit großer Hartnäckigkeit werden falsche Angaben verbreitet, die sich mit der Zeit in den Köpfen festsetzen und dadurch zu unumstößlichen „Wahrheiten" mutieren.

 

Bemerkenswert ist auch, wie einige „Sachverständige", die ihre Wissenschaftlichkeit als Firmierung vorantragen, dass für Stammtische gedachte Geschwätz einiger medialer Meinungsführer übernehmen. Oder ist es vielleicht auch umgekehrt - die „Sachverständigen" legen irgendwo im kleinen Kreis ihre Ansichten dar und Medienvertreter machen diese öffentlich? Alles ist möglich, nichts kann in diesem Spiel ausgeschlossen werden, zumal wenn man bedenkt, dass der Erfinder der „Riesterrente" als Staatssekretär in der Schröder-Fischer-Regierung tätig war und ein kürzlich noch als „unabhängiger“ Sachverständiger geltender Professor nunmehr Berater von großen Versicherungen ist, die sich vor allem auf dem Gebiet der privaten Vorsorge betätigen und das mit großem Nutzen für ihre Finanzlage tun.

 

Ein weiteres offizielles Täuschungsmanöver ist hier anzumerken. Beim Vergleich der statistischen Angaben über die Ostrenten sind Zahlbeträge für Berufsgruppen enthalten, die in der Rentenstatistik West nicht erscheinen, weil sie als ehemalige Beamte Pensionen erhalten. Das betrifft z.B. Bahn- und Postbeamte, Hochschullehrer, Polizisten, Offiziere, Mitarbeiter im Regierungsapparat. In der DDR gab es aber keinerlei Beamte, alle betreffenden Personen waren Angestellte. Die Staatsangestellten sowohl der BRD als auch der DDR wurden und werden aus Steuermitteln bezahlt (z. B. Öffentlicher Dienst, Polizei, Armee, Justiz, Bildungswesen usw.). Durch das besondere Rentenrecht Ost ist diese Beschäftigtengruppe in der gesetzlichen Rentenversicherung enthalten. Insofern sind die Vergleiche auf der Basis statistischer Angaben unreal.

 

Besonders dramatisch ist die derzeitige Entwicklung im Beitrittsgebiet für Neurentner und künftige Rentenjahrgänge, wo die reale Arbeitslosigkeit von gebietsweisen 30 % über viele Jahre und 18 Jahre Niedriglohngebiet sich deutlich in den Renten der Neurentner abzeichnen. Für Beitrittsbürger bestimmen die Rentenansprüche aus dem Erwerbsleben der DDR die Rente immer noch entscheidend. Bürger, die jüngst in Rente gingen, berichten von Brutto-Renten von unter 700 €/Mo. Das bedeutet Altersarmut bereits heute - nicht erst in Zukunft!

 

 

Warum verschließen sich die Regierungsparteien den dringlichen Aufgaben?

Setzen sie auf die biologische Lösung??

Zum Nulltarif wird die Renteneinheit nicht zu haben sein!

 

Mit der LINKEN haben wir im Bundestag eine Vertretung, die an unsere Interessen immer wieder erinnert und, wie Ihre Rednerin Dr. Martina Bunge am 20. Mai 2010 an die Regierungsparteien und die anderen Fraktionen gerichtet versicherte: „Solange sie nichts tun, werden wir Sie in dieser Sache nicht in Ruhe lassen."